„Zölle werden zu ­einer ­Beschleunigung der ­Inflation in den USA führen“
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Donald Trump ist seit rund 100 Tagen im Amt – und noch nie zuvor hat ein US-Präsident in so kurzer Zeit für so viel Unruhe in der Politik und an den Finanzmärkten gesorgt.

Vor allem die US-Aktienmärkte gaben in den vergangenen Wochen deutlich nach. Grund genug, mit Philip Gisdakis, Chief Investment Officer Germany der UniCredit Bank GmbH, über die aktuelle Situation zu sprechen. Im Interview mit der onemarkets Redaktion analysiert er die jüngsten Entwicklungen und erläutert Chancen und Risiken an den ­Anleihe- und Aktienmärkten.

onemarkets: Herr Gisdakis, seit unserem letzten Gespräch ist viel passiert. Haben sich Ihre Ansichten über den Zustand der Weltwirtschaft geändert?

Philip Gisdakis: Die Weltwirtschaft hat in den letzten Monaten wichtige und zum Teil unerwartete Entwicklungen durchlaufen. In den USA haben sich die Wachstumsaussichten verschlechtert. US-Präsident Trump hat eine beispiellose Anhebung der Zölle gegenüber allen Handelspartnern auf das höchste Niveau seit einem Jahrhundert angekündigt. Auch wenn er mittlerweile in vielerlei Hinsicht zurückgerudert ist, rechnen wir mit einem Aufwärtsdruck auf die Inflationsrate vor dem Hintergrund einer hohen und zunehmenden Unsicherheit bezüglich der Politik der neuen Regierung. Dies beeinträchtigt das Vertrauen der Verbraucherinnen und Verbraucher sowie der Unternehmen und trägt bereits zu einer Verlangsamung der Wirtschaftstätigkeit in den USA bei. Hinzu kommen temporäre Faktoren, die das Wachstumstempo im ersten Quartal des Jahres weiter verlangsamt haben, wie etwa ein starker Anstieg der Importe in Erwartung des Inkrafttretens von Zöllen.

In der Eurozone sind die Wachstumsindikatoren nach wie vor schwach, aber Deutschland hat eine finanzpolitische Wende angekündigt, deren Zeitpunkt und Ausmaß überraschen. Dies sollte die Wirtschaft in die Lage versetzen, die außenwirtschaftlichen Verwerfungen besser zu verkraften, auch wenn die Effekte des fiskalischen Stimulus erst ab 2026 spürbar werden und starke positive Effekte außerhalb Deutschlands unwahrscheinlich sind.

onemarkets: Wie schätzen Sie die Inflation und den Arbeitsmarkt ein – sowohl in den USA als auch in Europa?

Gisdakis: Die Einführung von neuen US-Zöllen werden zu einer deutlichen Beschleunigung der Inflation in den USA führen, da die importierenden Unternehmen versuchen werden, die Preiserhöhungen weiterzugeben. Die US-Verbraucherinnen und Verbraucher sind sich dessen bewusst, sodass ihre Inflationserwartungen stark angestiegen sind. Der US-Arbeitsmarkt ist nach wie vor in guter Verfassung, aber die Verlangsamung der Wirtschaftstätigkeit, die hohe Unsicherheit und der Beschäftigungsrückgang im öffentlichen Sektor dürften zu einer weiteren Abschwächung der Beschäftigungsdynamik führen. Die geringere Zuwanderung verstärkt diesen Trend. Gleichzeitig steigen damit die Inflationsrisiken, die mit einem möglichen Missverhältnis von Arbeitsangebot und -nachfrage verbunden sind.


Philip Gisdakis, Chief Investment Officer Germany, UniCredit Bank GmbH / HypoVereinsbank

„Technologie-Megacaps stehen derzeit unter Druck, doch die techno­logische ­Revolution bleibt ein zentraler Wachstumstreiber“ (Philip Gisdakis)


In der Eurozone ist die Inflation mit nahe 2 Prozent unter Kontrolle und die Zölle dürften daran nichts ändern, nicht zuletzt, weil der Euro aufwertet, während die Energiepreise sinken. Das Inflationspotenzial des Handelskriegs wird davon abhängen, welche Gegenmaßnahmen die EU als Reaktion auf die US-Zölle ergreift. Die Beschäftigungsdynamik hat an Schwung verloren und wir beobachten aufmerksam die Entwicklungen im Industriesektor, wo wir ein Überangebot an Arbeitskräften und zunehmende Risiken sehen, dass die lang erwartete Erholung der Produktion ausbleibt. Dennoch bleibt die Arbeitslosenquote im Euroraum mit knapp über 6 Prozent auf einem historischen Tiefstand.

onemarkets: Was erwarten Sie nach den Entscheidungen der EZB und der Fed in Bezug auf die Geldpolitik in den kommenden Monaten?

Gisdakis: Von den beiden Zentralbanken hat die Fed meines Erachtens die schwierigere Aufgabe, da sie mit einer spürbaren Beschleunigung der Inflation wie auch mit einer klaren Wachstumsverlangsamung konfrontiert ist. Mit ihrem doppelten Mandat (Preisstabilität und Vollbeschäftigung) wird die geldpolitische Entscheidungsfindung komplexer, zumal der Vertrauensverlust bei Haushalten und Unternehmen auch auf die gestiegenen Inflationserwartungen zurückzuführen ist. Wir sind der Meinung, dass der Markt die Zinssenkungen der Fed zu stark eingepreist hat und dass die nächste Zinssenkung erst in der zweiten Jahreshälfte erfolgen könnte. Bei der EZB hingegen überwiegen die Abwärtsrisiken für das Wirtschaftswachstum. Die Phase der geldpolitischen Lockerung dürfte also weitergehen. Ich glaube, dass die EZB die Zinssätze auf 1,75 Prozent senken könnte.

onemarkets: Worauf sollte man bei Anleihen in der aktuellen Lage achten?

Gisdakis: Im aktuell turbulenten Umfeld, das auch zu Verwerfungen an den US-Anleihemärkten geführt hat, glauben wir, dass es wichtig ist, in Staatsanleihen der Eurozone mit mittleren Laufzeiten investiert zu bleiben, um von den erwarteten Zinssenkungen der EZB zu profitieren. Attraktiv ist auch die Zusatzrendite, die Investmentgrade-Unternehmensanleihen (mit einem Rating besser als BBB) sowie Hartwährungsanleihen aus Schwellenländern bieten – vorausgesetzt, der Wechselkurs ist abgesichert, um starke Schwankungen des Euro-US-Dollar-Wechselkurses zu vermeiden. Vorsicht ist hingegen bei Hochzinsanleihen (Rating BB und tiefer) geboten, da deren Kursverlauf stark mit den Bewegungen an den Aktienmärkten korreliert.

onemarkets: Wo sehen Sie Potenzial in der Anlageklasse Aktien?

Gisdakis: Wir halten an unseren aktuellen Positionen fest und verfolgen weiterhin einen globalen Ansatz. Die USA, das Epizentrum der aktuellen Korrekturphase, bleiben der größte Markt in Bezug auf Tiefe und Breite der Themen und Sektoren. Technologie-Megacaps stehen derzeit unter Druck, doch die technologische Revolution bleibt ein zentraler Wachstumstreiber. Anlegerinnen und Anleger sollten daher sowohl in die heutigen Marktführer als auch in Unternehmen investieren, die in Zukunft an Bedeutung gewinnen und Marktanteile ausbauen könnten. Ergänzend kann es bei US-Titeln sinnvoll sein, auf traditionellere und defensivere Sektoren wie Industrie und Versorger zu setzen. Diese könnten einerseits von der Rückgewinnung von Produktionskapazitäten profitieren und sind andererseits positiv auf das langfristige Thema des Auf- und Umbaus der Logistik-, IT- und Energieinfrastruktur ausgerichtet.

In Europa sind für uns Unternehmen interessant, die sich durch ihre internationale Ausrichtung der Stagnation der Binnenwirtschaft entziehen können. Auch das deutsche Konjunkturprogramm wird nicht nur direkt die deutsche Wirtschaft stärken, sondern der gesamten Eurozone zu mehr wirtschaftlicher Stabilität verhelfen. Vorsicht ist weiterhin bei den Schwellenländern geboten: Geopolitische Unsicherheiten, der eskalierende Handelskrieg zwischen den USA und China und die schleppende Erholung der chinesischen Konsumnachfrage belasten weiterhin. Langfristig bleibt das Potenzial der Schwellenländer jedoch unbestritten – ebenso wie ihre Fähigkeit, die aus den USA abfließenden Kapitalströme zu absorbieren.

onemarkets: Was bereitet Ihnen zurzeit am meisten Sorge und und worauf hoffen Sie?

Gisdakis: In den USA beobachten wir aufmerksam das Risiko, dass ein anhaltender Abschwung an den Märkten die Kaufbereitschaft der wohlhabenderen Verbraucherinnen und Verbraucher untergraben könnte, die in den letzten Jahren dank stark gestiegener Aktien- und Immobilienpreise von einem besonders positiven Vermögenseffekt profitiert haben. Sollten diese Konsumentinnen und Konsumenten vorsichtiger werden und ihre Sparquote deutlich erhöhen, wären negative Auswirkungen auf den Konsum und das Bruttoinlandsprodukt unvermeidlich. Was den Handelskrieg betrifft, so besteht die Hoffnung, dass die Unsicherheit ihren Höhepunkt erreicht hat und nun eine Verhandlungsphase begonnen hat.

onemarkets: Herr Gisdakis, haben Sie vielen Dank für das Gespräch.

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